Trotz WM-Titel nicht nur Freudentränen |
Veröffentlicht von Administrator (wb_admin) am 23.03.2020 |
Europameisterin Annalena Leitner holt Gold mit „ihren“ Mädels – Große Enttäuschung im Einzel
Unterneukirchen (kam). Trotz des ersten Weltmeistertitels in der Geschichte des Eisstock-Weitensports mit „ihren Mädels“, den Damen der Deutschen Nationalmannschaft, vergoss Annalena Leitner vom SV Unterneukirchen nicht nur Freudentränen. Am WM-Ort in Regen gab es auch Tränen der Bitterkeit. Beim wieder von Corona beeinflussten Empfang im kleinen Kreis am Stockschützenheim des SV Unterneukirchen waren es dann Tränen der Dankbarkeit.
Obwohl das Coronavirus zunächst nur 300, dann gar keine Zuschauer mehr in Regen zuließ, sorgte die Geister-WM zunächst für unbeschreibliche Glücksmomente bei der grünweißen Doppel-Europameisterin. Zusammen mit „ihren Mädels“ der Deutschen Damen-Nationalmannschaft steht die Konditorin nun an erster Stelle von Wikipedia, nämlich als erste Team-Weltmeisterin der Damen im Weitensport. Das DESV-Quartett triumphierte mit 230,07 Meter klar vor Österreich (224,97) und der Schweiz (183,75). Doch nach den berechtigt überschwänglichen Feierlichkeiten am Mittwochabend war der Fokus schon wieder auf den Einzel-Wettbewerb gelegt, bei dem Leitner als Siegerin der Qualifikationsrunde Topfavorit. Doch dann passierte, was die gesamte Weitenwelt nicht für möglich hielt. Die amtierende Doppel-Europameisterin verpasste mit dem fünften Platz eine WM-Medaille gänzlich. Wie kam es zu dieser grünweißen und schwarzrotgoldenen Enttäuschung, die bereits nach dem ersten der fünf Durchgänge entschieden war? Wenn mit einer einzigen Ausnahme zwölf Weitenfinalisten ihre Bestmarken im ersten Durchgang erzielen, dann ist schwarz auf weiß abzulesen, dass sich die Bedingungen ab dem zweiten Versuch dramatisch veränderten. Während im ersten Durchgang noch neun von zwölf Athleten mehr als 92 Meter verbuchten, gab es im zweiten Durchgang nur noch zwei Damen die die 90er-Marke knackten – die letztendlich mit 90,52 den zehnten Platz belegende Kanadierin Jennifer Mayrl und Leitner, die mit 95,69 ihre Goldansprüche bestätigt. Doch in den drei weiteren Durchgängen wurden die Weiten jedes Athleten noch geringer. Auf den sich deutlich anbahnenden Missstand haben der Regener OK-Weitenchef Franz Ebner vom EV Poschetsried und einige Nationaltrainer den vom International Federation Icestocksport (IFI) eingesetzten Wettbewerbsleiter Max Moritz aus Neustadt an der Donau noch während des zweiten Durchgangs hingewiesen. Dieser ignorierte jedoch den Wunsch nach gleichbleibenden Bedingungen in allen Durchgängen für alle Athleten. Dadurch blieb Leitner mit 95,84 nur der fünfte Platz. Das Stockerl war nicht nur von der österreichischen Weltmeisterin Nina Neubauer (99,62) und der Deutschen Bronzemedaillen-Gewinnerin Birgit Wagner (96,58) vom ESV Mitterskirchen sondern völlig überraschend auch von der Australierin Chrysanthe Psychogios (98,84) besetzt.
Selbst als sie am Sonntag von den engsten Familienangehörigen, Freunden, Trainingspartnern und Abteilungsmitgliedern im SVU-Sportpark empfangen wurde, war ihr noch etwas Verbitterung anzumerken. Der tolle Empfang brachte sie aber auf andere Gedanken. Sie wusste nicht was genau geplant war. Daher war die Abholung durch Matthias Kainzmaier mit seinem Mercedes-Cabrio-Oldtimer 190 SL schon ein tolles Erlebnis. Mit den Worten „Wir sind hier um unsere Weltmeisterin zu feiern!“ machte Christoph Neugirg in seiner Begrüßungsansprache unmissverständlich deutlich, dass Leitner heute nicht mehr bedauert wird, sondern dass der SVU mit Freude und Stolz seine dritte Weltmeisterin in den Reihen der Stocksportabteilung feiert. Besonders erfreut zeigte sich der Weiten-Macher, dass man nach Bernhard Gratzl aus Mörmoosen und Helmut Gassner aus Flossing nun endlich einen Weltmeister aus dem Unterneukirchner Gemeindegebiet hat.
SVU-Vorsitzender Jochen Englmeier (von links), Weiten-Abteilungsleiter Christoph Neugirg, Freund Andreas Baumgartner aus Reischach und die Eltern Helene und Erich Leitner mit der ersten Stocksport-Weltmeisterin aus dem Gemeindegebiet von Unterneukirchen. Annalena Leitner holte zusammen mit „ihren Mädels“ der Deutschen Damen-Nationalmannschaft WM-Gold im Eisstock-Weitenwettbewerb. (Foto: A. Kamhuber)
Daraufhin dankte Neugirg Christopher Czech, der für Leitner Tankgutscheine für Trainings- und Wettkampffahrten zur Verfügung stellte. Weiterhin Tanja Hollerrieder, die als Physio stets zur schnellstmöglichen Regeneration verhalf. Und nicht zuletzt Anna Ludwig. Die beste Freundin war häufig als Motivator gefragt. Zudem richtete Neugirg einen Dank an den SVU-Vorsitzenden Jochen Englmeier für die super Trainingsmöglichkeiten im Sportpark. Englmeier pries die Tradition des Eisstock-Weitschießen in Unterneukirchen und gab den Dank an Neugirg „für dessen unermüdlichen Einsatz die Weitenhochburg weiterhin strahlen zu lassen“ zurück. Unter den Gästen war auch Doppel-Junioren-Weltmeister Alexander Anzinger vom EC Ebing und Jonas Trunczik vom SC Schwindkirchen, die beide zusammen mit Leitner mindestens einmal wöchentlich in Unterneukirchen trainieren und dabei eine „Fetzen Gaudi“ haben. Anschließend ging Neugirg auf die vergangenen Tage, Wochen und Monate ein. „Seit Anfang Januar hat sie wie eine Wahnsinnige trainiert.“
Zusammen wurden über 20 Trainingseinheiten abgewickelt. Hinzu kamen mehrere Einheiten im Kraftraum. Bereits im Training legte man darauf wert, die WM-Stimmung mit lauter Musik zu symbolisieren. Und dann kommt Corona und alles ist nichts. „Beim Ausscheidungslehrgang des Deutschen Eisstock-Verbandes (DESV) bewies sie während der 14 kräftezehrenden Durchgänge, dass sie die Beste ist.“ Zudem waren sich beim Einzelwettbewerb in Regen alle Aktiven und Funktionäre im Zelt einig, dass der technisch und dynamisch perfekte vierte Versuch von Annalena Leitner den WM-Titel bedeutet hätte. Doch der „beste“ Versuche blieb bei 87,24 Meter hängen. Daraufhin ging Leitner auf die Höhen und Tiefen in der vergangenen Woche. Den unbeschreib-lichen Glückmoment, als sie mit „ihren Mädels“ WM-Gold mit der Mannschaft gewann. Dieser wurde jäh abgelöst von den Corona-Entwicklungen die bis zur „nicht schönen“ Geister-WM führten. Und dann noch der beschriebe Tiefpunkt im Einzelwettbewerb.
Doch mit einigen Tagen Abstand überwiegt die Freude über das Erreichte. „Zu besonderen Dank bin ich jenen Leuten verpflichtet, die unter meinen Vorbereitungen gelitten haben, die mich ertragen haben. Außerdem habe ich meinen Freund (Andreas Baumgartner aus Reischach) in den letzten Wochen ziemlich vernachlässigt.“ so Leitner. Als Dank hatte sie für die engsten Verbündeten Geschenke aus dem Arberland mitgebracht. Außerdem hatte sie einen ganzen Pack Anstecknadeln dabei, die bei den Corona-Spielen, nicht verkauft werden konnten. Zu guter Letzt bedankte sie sich unter Tränen bei ihrem Heimtrainer Christoph Neugirg, der seit Beginn ihrer Sportlerkarriere vor neun Jahren mit ihr zusammenarbeitet und immer gerne den Weg von Taufkirchen nach Unterneukirchen auf sich nimmt. Daraufhin versprach Neugirg: „Wenn Du wieder trainierst, dann bin ich wieder an Deiner Seite“. Damit meinte er zwischen den Zeilen nicht nur die nächste EM 2021 in Weiz/Steiermark, sondern vor allem die kommenden Weltmeisterschaften 2022 in Klobenstein/Südtirol. Ihr „zweites Wohnzimmer“ verließ Annalena Leitner bisher nur als freudestrahlende Siegerin. Dort wurde die 24-järhige vor einem Jahr erste 1. Europameisterin der Eisstockgeschichte und gewann zudem den 1. Damen-Europa-Cup.
Zuletzt geändert am: 23.03.2020 um 13:43
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